Unser nächster Ausflug hat uns in das Unabhängigkeits-Gedenkmuseum in Windhoek geführt.
Voller emotionaler Erwartungen haben wir auf unsere Mitfahrgelegenheit gewartet. Nachdem der Bus nun endlich erschienen war, sind wir zusammen mit unseren Partnerschülerinnen und -schülern zum Museum gefahren. Entgegen unseren Erwartungen haben die Partnerschülerinnen und -schüler sehr gelassen gewirkt. Das Aufkommen von Trauer war nicht zu beobachten. Im Gegenteil, es wurde zum Teil gelacht. Wir haben sie gefragt, warum es ihnen nicht so nahegehen würde. Eine Schülerin hat gesagt, dass sie nichts fühlen würde, ihr jedoch zum Weinen zumute wäre. Eine andere Schülerin hatte sogar deutsche Vorfahren und äußerte einen inneren Konflikt zwischen ihrer afrikanischen und deutschen Seite. Auch in ihrem familiären Umfeld soll es deswegen Konflikte gegeben haben, weswegen sie umso intensiver von den Eindrücken berührt wurde. Warum die Partnerschülerinnen und -schüler gelacht hatten, führten wir, später in unserer Reflexionsrunde, auf eine Art Schutzmechanismus zurück, eine Art Überspielung der tiefersitzenden Emotionen.
Das Museum ist in 5 Etagen aufgeteilt. Jede Etage widmete sich einem Schwerpunkt der namibischen Geschichte der Unterdrückung: die Vorkolonialzeit, der Kolonialismus unter der Herrschaft des deutschen Kaiserreiches (Deutsch-Südwestafrika 1884 bis 1915) mit dem Völkermord an den Herero und Nama (1904 bis 1907), die Unabhängigkeitsbewegungen unter der Fremdbesetzung durch das südafrikanische Mandat mit britischer Unterstützung (1920 bis 1990) sowie die Zeit nach der Unabhängigkeitserklärung ab 1990.
Kolonialgeschichte und Verantwortung in der Gegenwart
Ab dem späten 18. Jahrhundert überquerten Oorlam-Menschen von der Kapkolonie den Orange River und siedelten sich im heutigen Südnamibia an. Ihre Begegnungen mit den nomadischen Nama-Stämmen verliefen größtenteils friedlich. Der Nama-Herero-Krieg brach 1880 aus, als die Oorlam auf die widerstrebenden OvaHerero-Stämme trafen. Die deutschen Truppen beendeten die Feindseligkeiten und festigten den Status quo. 1878 annektierte das britische Kap der Guten Hoffnung den Hafen von Walvis Bay. Namibia wurde im 19. Jahrhundert von deutschen und schwedischen Händlern und Siedlern erkundet. Missionare aus Finnland verbreiteten ab 1870 den lutherischen Glauben unter den Ovambo und Kavango. Die Dorsland Trekkers durchquerten das Gebiet auf dem Weg von Transvaal nach Angola, wobei einige von ihnen in Namibia blieben.
Namibia wurde 1884 eine deutsche Kolonie, bekannt als Deutsch-Südwestafrika. Eine Rinderpest-Epidemie 1897 führte zur Einrichtung eines veterinären Cordon-Zauns (Rote Linie). Von 1904 bis 1907 leisteten die Herero und Nama Widerstand gegen die deutschen Siedler, was zum verheerenden Völkermord an den Herero und Nama führte. Der deutsche Minister für Entwicklungshilfe entschuldigte sich 2004 für den Völkermord, aber die deutsche Regierung distanzierte sich von dieser Entschuldigung. Erst 2021 erkannte die deutsche Regierung den Völkermord an und stimmte zu über 30 Jahre hinweg 1,1 Milliarden Euro an Gemeindehilfe zu zahlen.
Postkolonialzeit und Fremdherrschaft unter südafrikanischem Mandat
Während des Ersten Weltkriegs besetzten südafrikanische Truppen unter General Louis Botha das Gebiet und setzten die deutsche Kolonialverwaltung ab. Nach Kriegsende und dem Vertrag von Versailles blieb Südwestafrika im Besitz von Südafrika, zunächst als Völkerbundmandat bis 1990. Das Mandatsystem ermöglichte es Südafrika, das Gebiet zu verwalten, ohne es auf die Unabhängigkeit vorzubereiten. Die Vereinten Nationen ersetzten die Völkerbundmandate, und Artikel 77 der UN-Charta bezog sich auf die „Übertragung von Gebieten, die jetzt unter Mandat gehalten werden“. Südafrika lehnte die Übergabe an den UN-Treuhandrat ab und versuchte stattdessen, das Gebiet zu annektieren. Als die UN dies ablehnte, setzte Südafrika die Apartheid in Südwestafrika durch. In den späten 1950er und frühen 1960er Jahren entstanden nationalistische Bewegungen, die die Unabhängigkeit forderten. 1966 startete SWAPO einen bewaffneten Aufstand gegen die südafrikanische Herrschaft, der Teil des regionalen Konflikts wurde, bekannt als der Südafrikanische Grenzkrieg.
Nach der Unabhängigkeitserklärung kann Namibia in eine friedliche und leuchtende Zukunft blicken!
Der Stadtbummel
Das Museum hatte relativ wenige Informationstexte. Durch die Bilder jedoch hatte man direkt einen emotionalen Zugang zum Thema.
Nachdem wir gut 1,5 Stunden im Museum verblieben sind, haben wir es geschafft Mrs. Bernhard zu einem Stadtbummel mit unseren Partnerschülerinnen und -schülern zu überreden.
Der Schulbus hat uns trotz eines Halteverbots in der Innenstadt direkt an der Hauptverkehrsstraße rausgelassen. Das musste recht schnell gehen. Laut Jaden, unserem Hostelfahrer und mittlerweile Freund, hat Namibia zwar Straßenverkehrsregeln, allerdings werden sie sehr frei interpretiert. Dies erinnerte mich an die Türkei. In der Stadt waren wir mit der gesamten Gruppe spazieren und haben auch was gegessen. Diese gemeinsame Zeit hat das Eis zwischen uns gebrochen.
Spiel, Spaß und Musik – der Besuch im Hostel (Samstag, 27.01.2024)
Für den nächsten Tag haben wir unsere Partnerschülerinnen und -schüler zu unserem Hostel eingeladen. Das war ein Moment des näheren Zusammenwachsens. Sie waren nämlich ohne Schuluniform da. Wir haben uns sehr gut verstanden. Wir hörten Musik, redeten viel miteinander und haben auch zusammen viel gelacht. Uns ist aufgefallen, dass über die Ländergrenzen hinweg, wir ähnlichen Musikgeschmack haben. Wir sind sogar im Pool zusammen geschwommen, weil sie ursprünglich, laut dem Hausbesitzer, nicht in den Pool durften, sind sie auch so mit ihrer Kleidung reingesprungen. Alles in allem hat es sehr viel Spaß gemacht. Das ist nicht nur mein Empfinden, sondern auch das der ganzen Truppe.
Das Penduka-Village – Chancengleichheit für Frauen (Sonntag, 28.01.2024)
Am nächsten Tag haben wir einen Ausflug zum Penduka Village gemacht. Das Penduka Village wird von Frauen geführt. Dort produzieren sie nachhaltig ihre handgefertigten Produkte, die sie dort auch zum Verkauf anbieten. Der Erlös dieser Verkäufe unterstützt die Frauen und ihre Familien. Ein Stück Chancengleichheit. Angeboten werden beispielsweise Tierpuppen, Ketten und Kissenbezüge. Die Ketten werden aus recyceltem Glas hergestellt. Nach dem Gruppenfoto am See, hatten wir die Gelegenheit bekommen, die Manufakturen zu besichtigen.
Diese Manufakturen können auch als Ausgangspunkte für weitere Projekte mit unserer Partnerschule dienen! Denn hier wird Nachhaltigkeit und Chancengleichheit gelebt!
verfasst von Efehan Muharrem Tastan, Q1-Schüler editiert von Z. Uzun und D. Daniels
(Veröffentlichung genehmigt durch C. Hiller-Kitzmann, Oberstufenleiterin)